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Erstmals in Konstanz: Forbidden Moves - Tanzen statt Tanzverbot!

Forbidden Moves

Das gab es so noch nie in Konstanz - erstmals darf an einem Karfreitag getanzt werden! Und zwar mit dem offiziellen Segen der Stadtverwaltung. Das ist deshalb ein Novum, weil das Feiertagsgesetz in Baden-Württemberg öffentliche Tanzveranstaltungen von Gründonnerstag 18 Uhr bis Karsamstag 20 Uhr (und an anderen sogenannten "Stillen Tagen” wie Allerheiligen, Buß- und Bettag, Totengedenktag, Volkstrauertag) untersagt. Aber nicht am diesjährigen  Karfreitag, am 18.04.2025, bei der Forbidden Moves Party in der Kantine Konstanz! Möglich macht dies ein wegweisendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Doch der Reihe nach …

Es gibt in allen Bundesländern unterschiedlich ausgestaltete Feiertagsgesetze, die etliche Aktivitäten an sogenannten “Stillen Tagen” grundsätzlich verbieten. Dazu zählen Tanz- und Musikveranstaltungen, öffentliche Feiern, Sportveranstaltungen oder die Vorführung bestimmter Filme wie z. B. “Das Leben des Brian” von Monty Python.

Die Regelungen zur Feiertagsruhe und das Verbot öffentlicher Tanzveranstaltungen gehen in ihren Ursprüngen noch auf gesetzliche Bestimmungen der Weimarer Republik zurück. In den Anfangsjahren der Bundesrepublik gehörten weit über 90 Prozent der Bevölkerung einer christlichen Konfession an. Daher war die Begründung des Tanzverbotes an Karfreitag, die an den “stillen Charakter des Tages” anknüpft, der ein Tag der Trauer und des Gedenkens an den Tod Jesu Christi sein sollte, mehrheitlich durch die Weltanschauung und den Willen der Bürger gedeckt.

Ende 2023 waren 46 Prozent - weniger als die Hälfte der Bevölkerung - noch formal römisch-katholische oder evangelische Kirchenmitglieder. Doch nur ein kleiner Bruchteil der Bevölkerung ist ernsthaft religiös aktiv und kann als "praktizierende Gläubige“ bezeichnet werden (etwa 5 Prozent). Quelle: https://fowid.de/meldung/religionszugehoerigkeiten-2023

Zitat fowid: Mit anderen Worten: Von 100 Bundesbürgern nehmen inzwischen 95 nicht mehr an Gottesdiensten teil, nur 5 von ihnen besuchen regelmäßig eine Kirche, Moschee oder Synagoge. Kaum eine andere statistische Kennzahl zeigt so deutlich, wie weit die Erosion des Glaubens bereits vorangeschritten ist.

Laut einer Umfrage vom März 2024 verbinden die meisten Menschen Ostern am ehesten mit dem Frühling, einem langen Wochenende oder der Ostereiersuche mit den Kindern. Nur 6 Prozent der Befragten gaben an, am Karfreitag einen Gottesdienst zu besuchen. Quelle: https://www.katholisch.de/artikel/52075-umfrage-so-viele-deutsche-besuchen-an-ostern-gottesdienste

Eine weitere Umfrage vom März 2024 zeigt, dass jeder zweite die Lockerung des Tanzverbotes befürwortet:

Angesichts dieses dramatischen weltanschaulichen Wandels in der Gesellschaft ist nicht einsichtig, dass der Staat an Tagen, an denen einige wenige tatsächlich gläubige Christen des Todes ihres religiösen Führers gedenken, alle Bürger, also auch Anders- und Nichtgläubige, in ihren Freiheitsrechten einschränkt.

Die Autonomie des Individuums, also die individuellen Freiheitsrechte der Bürger, stellen eines der höchsten Rechtsgüter dar und sind ein zentrales Unterscheidungsmerkmal im Vergleich zu autoritären Gesellschaftsordnungen. Da wir in einem Verfassungsstaat mit einer freiheitlichen Grundordnung leben und nicht in einem Gottesstaat und das Grundgesetz diesen Staat auf weltanschauliche Neutralität verpflichtet, soll ein Christ einen Karfreitag feierlich und still begehen können und den Kreuzestod seines religiösen Führers still und einsam oder auch gemeinsam mit anderen betrauern dürfen, wenn er das möchte. Und in einem weltanschaulich neutralen Staat mit einer freiheitlichen Grundordnung soll ein konfessionsfreier oder andersgläubiger Bürger an einem Karfreitag ins Kino gehen oder tanzen können, wenn er das möchte.

Warum sollte jemand an “Stillen Tagen” nicht tanzen dürfen? Woran sollte sich ein gläubiger Christ stören, wenn eine Tanzveranstaltung in einem geschlossenen Raum stattfindet? Es kann und darf nicht Aufgabe des Staates sein, Menschen Vorschriften zu machen, wie sie an einem Feiertag ihre Freizeit verbringen sollen.

Das erkannte auch das Bundesverfassungsgericht in einem wegweisenden Urteil vom 27. Oktober 2016: die Richter und Richterinnen in Karlsruhe entschieden, dass der ausnahmslose Schutz des Karfreitags, der jede Befreiungsmöglichkeit von vornherein ausschloss, mit den Grundrechten auf Weltanschauungsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) und Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) unvereinbar ist . Damit folgte das Gericht einer Verfassungsbeschwerde des bfg München (Bund für Geistesfreiheit), der sich nach dem Verbot seiner “Heidenspaß- statt Höllenqual-Party” am Karfreitag 2007 durch alle Instanzen geklagt hatte.

Seitdem sind am Karfreitag und an allen anderen “Stillen Tagen” Ausnahmen möglich, wenn Feste und Feiern Ausdruck einer weltanschaulichen Abgrenzung gegenüber christlichen Glaubensbekenntnissen sind.

Das BVG Urteil im Wortlaut:
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2016/10/rs20161027_1bvr045810.html

Uns ist es wichtig, dass die Trennung von Kirche und Staat, so wie in der Verfassung festgeschrieben, in der Praxis auch tatsächlich umgesetzt wird. Weltanschauung, Religionsausübung und Glauben sollen als Privatangelegenheiten jedem Menschen frei stehen und dürfen nicht eingeschränkt werden. Der Staat darf aber auch nicht einzelne Religionen fördern oder konfessionsfreie Menschen benachteiligen.

Eine ganz offensichtliche Stelle, an der sich der Staat nicht neutral verhält, ist das anachronistische Feiertagsgesetz - worauf wir mit dieser schönen Aktion, stellvertretend für viele andere Bereiche, in denen die Trennung von Staat und Kirche in der Praxis (noch) nicht umgesetzt ist, deutlich aufmerksam machen möchten.

Deshalb wollen wir der vom höchsten Gericht explizit geforderten weltanschaulichen Abgrenzung mit unseren Füßen Ausdruck verleihen und ein Zeichen des Protestes gegen das Tanzverbot in seiner aktuellen Form setzen! Kommt vorbei:

Wann: Karfreitag, 18.04.2025, ab 21 Uhr
Wo: Kantine Konstanz, Oberlohnstraße 3, 78467 Konstanz

https://www.kantine-kn.de/events/

Programm:

Vortrag zum Thema. Ist das mit Rücksichtnahme auf eine religiöse Minderheit begründete Tanzverbot für alle Bürger an stillen Tagen im Feiertagsgesetz in einer zunehmend säkularen Gesellschaft noch zeitgemäß?

Diskussion zum Thema

Wort zum Karfreitag mit humanistischem Tanzsegen von Dr. Michael Schmidt-Salomon

Anschließend: Tanz!

DJ-Lineup: MR. TADEL | NICK FETCHER | LARNIE

Motto: freier Tanz für freie Bürger!

Eintritt: frei zu Vortrag und Diskussion, musikalischer Teil: 10,-- Euro

Also lasst uns tanzen! Und zwar alle: Gläubige, Andersdenkende, Zweifelnde jeden Alters, jeden Geschlechts, jeder sexuellen Orientierung, jeder Herkunft. Auf einen wunderbaren, friedvollen, gut gelaunten, echten Feiertag!